Die Hyperinflation in Deutschland
und was im Saargebiet anders war

Bereits während des Ersten Weltkriegs hatte die deutsche Reichsmark einen Teil ihrer Kaufkraft eingebüßt. Dramatisch wurde die Lage aber erst Anfang des Jahres 1923.
Nach dem Versailler Vertrag hatte das Deutsche Reich Reparationszahlungen in Gold, Devisen oder Sachleistungen zu zahlen. Als Deutschland Ende 1922 mit den Reparationszahlungen in Verzug kam, besetzten französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923 das Ruhrgebiet. Die Reichsregierung reagierte mit der Ausrufung des passiven Widerstands und verbot die Zusammenarbeit mit der Besatzung, was einem Generalstreik gleich kam. Löhne und Gehälter wurden von der Reichsregierung bezahlt. Das Geld dazu musste durch den Druck von Banknoten und damit durch die Vergrößerung der umlaufenden Geldmenge beschafft werden. Zusammen mit der Tatsache, dass Deutschland den Ersten Weltkrieg hauptsächlich durch Staatsanleihen und nicht durch Steuern finanzierte, gilt dies heute als volkswirtschaftliche Ursache der Hyperinflation. [1]
Das Saargebiet stand seit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags unter der Verwaltung des Völkerbunds und wurde seit dem 13. Februar 1920 von einer international zusammengesetzten Kommission regiert. [2] Die Währung war weiterhin die deutsche Reichsmark. Die Steinkohlegruben wurden der französischen Grubenverwaltung Administration des Mines Domantiales Francaises du Bassin de la Sarre übertragen.
Bereits im Juli 1920 wurde damit begonnen, die Bergleute der Mines Domantiales in Franc zu entlohnen, was dazu führte, dass ihr Lebensstandard weit über dem von anderen Arbeitern lag, die in Mark bezahlt wurden. In der Folgezeit kam es aber mehrfach zu Lohnkürzungen und Feierschichten und auch andere Arbeiter erhielten ihr Geld in Franc.[3]
Ende Dezember 1922 kündigten der Bergarbeiterverband BAV und die Gewerkschaft christlicher Bergleute GCB den Tarifvertrag um höhere Löhne durchzusetzen. Als am 5. Februar 1923 der Streik begann, war durch die zwischenzeitliche Ruhrbesetzung aus einem Lohnkampf ein "Klassenkampf fürs Vaterland" geworden.[3] Der 100tägige Bergarbeiterstreik, der längste Streik der deutschen Geschicht [4], wurde am 15. Mai 1923 beendet und am 1. Juni 1923 wurde der Franc alleiniges Zahlungsmittel im Saargebiet.
Etwas anderes war auch kaum möglich, denn in Deutschland war die Inflation der Mark eskaliert. Der Kurswert des Dollars lag im Juni bei 100 000 Mark und ein Brot kostete etwa 1500 Mark.
In den folgenden Monaten herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland: Separationsversuch in Bayern, Militärputsch in Sachsen, Aufstand der KPD in Hamburg, und schließlich der Hitler-Ludendorff-Putsch am 8. November 1923 in München. In der Bevölkerung herrschte Chaos, Hunger und Elend. [5] Von alldem ist das Saargebiet weitgehend verschont geblieben.
Die Hyperinflation endete mit der Einführung der Rentenmark. Am 15. November 1923 öffnete die Rentenbank und tauschte die Papiermark gegen Rentenmark ein. Für eine Billion Papiermark bekam man eine Rentenmark.
1 000 000 000 000 Papiermark = 1 Rentenmark
Am 30. August 1924 wurde die Rentenmark per Gesetz in Reichsmark umbenannt. Diese hatte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Bestand.
Mit der Volksabstimmung 1935 und der Rückgliederung wurde die Reichsmark auch die Währung im Saargebiet.

[1] Longerich, Peter: Außer Kontrolle - Deutschland 1923, Molden Verlag, Wien 2022
[2] Schmoll, Dominik: Die Einsetzung und Zusammensetzung der ersten Regierungskommission des Saargebiets in: Die 20er Jahre - Leben zwischen Tradition und Moderne im internationalen Saargebiet 1920-1935, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020 S. 34-37
[3] Heinz, Joachim: Der Kampf der Bergleute ein Lehrstück in Solidarität - 100 Jahre Bergarbeiterbewegung an der Saar, Saarbrücker Bergmannskalender 1990 S. 9-24
[4] Hirsch, Frank: Dauerkrise und Selbstbehauptung - Die Gewerkschaften und die Arbeiterbewegung im Saargebiet in: Die 20er Jahre - Leben zwischen Tradition und Moderne im internationalen Saargebiet 1920-1935, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020 S. 52-59
[5] Bommarius, Christian: Im Rausch des Aufruhrs - Deutschland 1923, dtv Verlagsgesellschaft, München 2022


1.9.2023